Eine ältere Dame lag mit Magengeschwüren, deren poröse Blutungsquellen trotz aller modernen Behandlungsmöglichkeiten nicht beherrschbar wurden, auf dem intensivmedizinischen Bereich einer Klinik.
Nach umfangreichen Gesprächen zwischen behandelnden Fachärzten und nahen Angehörigen bezüglich Diagnosen/Prognose und Abwägung aller Fakten, kamen die Angehörigen zu der Entscheidung, der überaus kranken geschwächten betagten Dame keine weiteren invasiven Maßnahmen, wie Intubation/Beatmung, sowie sich daraus ergebende intensivtherapeutische lebenserhaltende Eingriffe zuzumuten.
So wurde sie auf eine periphere interne Klinik zur begleitenden symptomatischen Pflege verlegt. Ihr Zustand war sehr instabil, sie war unruhig, kaum bei Bewusstsein, wenig ansprechbar, die Blutungen hielten weiterhin an, worauf der schwarze Stuhlgang, der so genannten Teerstuhl, den sie weiterhin häufig absetzte, schließen ließ. In den wenigen wachen Momenten wirkte die Patientin forsch und konnte ihre Bedürfnisse klar formulieren. Sie wurde liebevoll versorgt und gepflegt. Es wurde versucht, all ihren Wünschen stets nachzukommen.
Für sie angeforderte Blutkonserven wurden letztmalig zur Transfusion angelegt, eigentlich waren sie nicht mehr Bestandteil der Basistherapie. Möglicherweise waren sie noch vor dem Entschluss hierzu bestellt worden, die Blutkonserven waren jedenfalls für diese Patientin vorbereitet vorhanden, so dass entschieden wurde, sie der Patientin letztmalig auch nicht vorzuenthalten.
Im Nachtdienst wurde sie bei Bedarf nahezu halbstündlich umsorgt, da sie sehr unruhig war und hierbei Begleitung/Zuwendung und Beistand rührend dankbar annahm. Unter ihrem Kopfkissen lag ein Holzkreuz, innenhandpassend mit gerundeten weichen Kanten. Eine der Pflegenden legte ihr, wann immer die Situation es hergab und in ihren schwierigsten Zeiten das Holzkreuz stets in die Hand und betete.
Im weiteren Verlauf besserte sich allmählich jedoch kontinuierlich der Zustand der Patientin, sie wurde wacher und aktiver und konnte zunehmend mobilisiert werden. Auch hatte sich ihr Gemüt verändert, sie wirkte zufrieden, zum Teil fast sanftmütig und lächelte häufig.
Die Angehörigen staunten über die sich einstellende Genesung und meinten, alles habe danach ausgesehen, dass das Ende käme, die Befunde, die Laborwerte, der überaus schlechte Zustand der Patientin und nun könne sie wieder (zwar altersbedingt bewegungseingeschränkt) einkaufen gehen!
Vor kurzem traf ich die besagte ältere Dame auf einem klassischen Konzert. Sie konnte sich ganz genau an ihren Krankenhausaufenthalt erinnern und erzählte, dass das Holzkreuz aus Anlass ihrer Erkrankung von ihrer Pastorin gesegnet worden sei. Und sie sei so dankbar, dass sie noch nicht von der Erde habe gehen müssen.