CV Albert Willimsky | |
* 28.12.1890 | Oberglogau / Schlesien (Mo) |
22.06.1919 | Priesterweihe in Breslau (So) |
bis 31.12.1926 | Administrator in Barth |
(15.12.1926) 01.01.1927 |
Übernahme der Pfarrstelle in Friesack |
1927 | Bau des Pfarrhauses |
31.03.1935 |
letzte Hl. Messe in Friesack (So) |
01.04.1935 | Versetzung nach Gransee |
07.1939 |
Versetzung nach Stettin-Podejuch |
+ 22.02.1940 | KZ Sachsenhausen (Do) |
Erinnert wird an Pfarrer Willimsky und seinen Sterbetag auch auf der Seite der Gedenkkirche Maria Regina Martyrum.
Auch das Erzbistum
Berlin erinnert an Albert Willimsky.
Albert Willimsky war Pfarrer in Friesack von 1927 bis 1935.
In diese Zeit fiel der Bau des Pfarrhauses und eine intensive Auseinandersetzung mit dem Evangelischen Oberpfarrer Nimz, die sich aus der Chronik ergibt. Man erkennt die Person eines streitbaren, wenn nicht streitlustigen Menschen, der einem Konflikt nicht aus dem Weg ging.
Joachim Scholz
In der Berliner St. Hedwigskathedrale ist zum Gedenken an die katholischen Geistlichen, die dem Nationalsozialismus zum Opfer gefallen sind, eine Tafel angebracht. Der Name Willimsky ist hier ebenso angegeben wie auf einer Gedenktafel in Gransee, die daran erinnert, dass Pfarrer Willimsky im Dritten Reich für Menschenwürde und Menschenrecht eintrat und dafür mit dem Leben bezahlen musste. In Friesack und den umliegenden Gemeinden aber, wo eben dieser Pfarrer Willimsky die längste Zeit seines Arbeitslebens verbrachte und wo die Geschichte seines Aufbegehrens gegen die Naziherrschaft ihren Anfang nahm, ist Willimsky kaum jemandem mehr ein Begriff und auch im Heimatmuseum der Stadt Friesack wird nichts über ihn berichtet. Am genauesten informieren uns die Akten des Potsdamer Landeshauptarchivs über seine Geschichte als Friesacker Pfarrer.
Die beginnt schon im Jahre 1927, als Albert Willimsky 37jährig die katholische Pfarrstelle der kleinen Ackerbürgerstadt übernahm. Aus den überlieferten Papieren erfährt man, dass Willimsky und seine katholischen Glaubensgenossen schon vor der Nazizeit keinen guten Stand unter den meist evangelischen Bewohnern des Havellandes genossen, denn die meisten Katholiken hierzulande waren polnische Saisonarbeiter, jene, wie einmal der Landrat schrieb, „moralisch minderwertigen unlauteren, mit Ungeziefer behafteten rohen Schnitterfamilien", die zur Erntezeit auf den havelländischen Gütern gebraucht wurden. Wenn es aber darum ging, ihnen einen Raum für den Gottesdienst verfügbar zu machen, ernteten sie Absagen, wie am Beispiel der Paulinenauer, aus etwa 70 Katholiken bestehenden Gemeinde deutlich wird. Willimsky war es, der dort für die Schnitter eintrat. „Es ist bekannt, dass diese Arbeiter nicht gut bezahlt werden, in schlechten Wohnungen hausen und wegen mangelnder deutscher Sprachkenntnisse oft recht- und schutzlos sind" schrieb er. „Wenn diese Menschen nicht mehr einen Halt an der Religion finden, ist es unausbleiblich, dass sie schliesslich zu Verbrechern werden. Ich spreche daher die herzliche Bitte aus, schon aus Gründen der Menschlichkeit die Absage zu kassieren." Es gelang ihm damals, wenigstens in der Schnitterkaserne Gottesdienst und später auch im Schulhaus Religionsunterricht erteilen zu dürfen.
Man kann mit Grund annehmen, dass der Pfarrer mit seinem energischen Eintreten schon damals nicht nur beliebt gewesen ist. Die Gemüter erhitzten sich jedoch erst nach einem Vorfall, der sich im Februar 1933 wiederum in Paulinenaue zutrug. Einen Monat nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten und kurz vor der letzten, schon nicht mehr ganz freien Reichstagswahl in Deutschland, hatte Willimsky einen Aufruf der Zentrumspartei an die am Religionsunterricht teilnehmenden Kinder verteilt und diese gebeten, das Flugblatt ihren Eltern zu übergeben. Viele im Dorf hielten das für unerhört. Der Aufruf, hieß es, verletze die „nationale Bevölkerung" des Kreises zutiefst. In vorauseilendem Gehorsam empörten sich der Paulinenauer Schullehrer Richter - vor 1933 noch Sympathisant der Kommunisten -, der pensionierte Major Prentzel und mit beiden der gesamte Paulinenauer Schulvorstand. „Unter den Mitgliedern herrschte große Erregung über das Vorgehen des Pfarrers und es wurde einhellig und mit Nachdruck abgelehnt, ihn wieder in die Schule hereinzulassen", berichtete pflichtbewusst Landrat von Bredow nach Potsdam und er fügte hinzu: „Seit der Pfarrer seine Stelle in Friesack angetreten hat, habe ich den Eindruck gehabt, daß er es nicht versteht, mit der überwiegend evangelischen Bevölkerung des Kreises auszukommen. Als Neustes ist mir berichtet worden, daß der Pfarrer im Geschäftslokal des Friesacker Banklokals, in dem der letzte Aufruf der Reichsregierung angebracht war, sich zu diesem Aufruf äußerte, er müßte abgerissen werden. Nach alledem habe ich den Eindruck, daß der Pfarrer Willimsky für die hiesige Gegend nicht der richtige Mann ist. Er bringt Unruhe in den Kreis und schafft unnötige Zwietracht".
Der Brief des Landrats ist die erste aktenfällig gewordene Denunziation in einer nun nicht mehr abreißenden Kette aus Zeugnissen der Niedertracht und des Kleinmutes, von Verdächtigungen und folgenreichen Entscheidungen, die Willimsky in den wenigen Jahren, die ihm noch im Amt verblieben, in Friesack, in Gransee oder Stettin, nicht mehr zur Ruhe kommen ließen.
Die Diktatur belohnte den, der den Mund verschloss und man darf annehmen, dass sie auch den Friesacker Pfarrer verschont hätte, hätte der sich in Stille beschieden. Doch allen „Friedensangeboten" zum Trotz gab Willimsky immer wieder Anlass zu Ärgernissen. Else Billian aus Paulinenaue erinnert sich noch heute daran, wie der Pfarrer im Gottesdienst gegen die Nazis predigte. „Denen werde ich Luft machen!" soll er empört gerufen haben. Auch verlas er jeden der regimekritischen katholischen Hirtenbriefe und knüpfte Spitzen in seine Predigten. So äußerte er sich gegen den nationalsozialistischen Chefideologen Alfred Rosenberg von der Kanzel aus, indem er dessen berühmt-berüchtigte Schrift, den „Mythus des 20. Jahrhunderts", öffentlich als „Blödsinn" bezeichnete. Rosenberg und der HJ-Führer Baldur von Schirach seien der Jugend keine Vorbilder, erwähnte er ein andermal im Friesacker Bankgebäude. Er ließ 1935 beim Anschluss des Saargebietes die Friesacker Kirchenglocken nicht wie vorgeschrieben läuten und man sagte, er verstecke im Keller des Pfarrhauses eine Druckmaschine, um Hetzschriften gegen die Regierung zu verfassen und diese zu vervielfältigen. Kein Wunder, dass die Gestapo auf den Fall aufmerksam wurde und Willimsky bald pausenlos unter Beobachtung stand. Die Aktenstücke, die in seiner Angelegenheit angefertigt wurden, mehrten sich. Dass er oft nur durch Glücksfälle einer Verhaftung entging, wird Willimsky selbst nicht geahnt haben, doch auch ohne Gefängnisstrafe waren seine Tage im Havelland bald gezählt.
Zwar hatte er den Prozess um die unauffindbare Druckmaschine noch gewonnen, aber durch seine unbedachten Äußerungen geriet Willimsky in Friesack wieder und wieder in neue Bedrängnis, bis gegen ihn im März 1935 ein Aufenthaltsverbot für den gesamten Kreis erging und Willimksy binnen 24 Stunden die Stadt Friesack verlassen musste. Dem Berliner Domkapitular Lichtenberg, der später selbst von den Nazis ermordet werden sollte, gelang es noch, diese Frist um einige Tage aufzuschieben, damit am Sonntag, dem 31.03.1935, Gottesdienst stattfinden konnte. Mit welchen Gefühlen Willimsky seine letzte Friesacker Predigt gehalten hat, lässt sich aus der Überlieferung nicht erlesen. Ihm war durch die Gestapo zur Auflage gemacht worden „in seinen Auesserungen und in seinem Auftreten völlige Zurückhaltung im Zusammenhang mit den Massnahmen [zu üben], die gegen ihn ergangen sind, und dass er sich streng auf seine geistliche und seelsorgerische Tätigkeit beschränkt." Ob er sich daran gehalten hat, wissen wir nicht, wohl aber, dass er auch in Gransee, wohin man ihn daraufhin versetzte, nicht lange geduldet wurde. Im Oktober 1938 ist er erstmals verhaftet und nach der Entlassung aus dem Untersuchungsgefängnis in der Potsdamer Lindenstraße im Mai 1939 nach Podejuch, eine kleine Gemeinde in der Nähe von Stettin, versetzt worden. Doch kein halbes Jahr verging, bis er sich wegen polenfreundlicher Äußerungen erneut in Haft begeben musste. Ein katholischer Kaufmann hatte ihn diesmal denunziert. Aus dem Stettiner Polizeigefängnis überführte man den „trotz Bestrafung unverbesserlich[en]" Pfarrer im Januar 1940 zum letzten Mal. Im Konzentrationslager Sachsenhausen, wohin man ihn brachte, ist Willimsky nach wenigen Wochen, am 22. Februar 1940 gestorben. „Wer weiß, was der Herrgott mit uns vorhat," schrieb er vor der Einlieferung ins KZ an seine Haushälterin. „Schmerzvoll ist nur, daß ich nun gar keine Aussicht auf Gottesdienst habe. Beten wir um so inniger füreinander. So wird auch diese Zeit vorübergehen, und wir werden uns wiedersehen."
Willimsky war im Havelland nicht der einzige Geistliche, der in offenen Konflikt mit dem nationalsozialistischen Regime geriet. Neben ihm stoßen wir in den Potsdamer Staatspolizeiakten auf den evangelischen Bekenntnispfarrer Johannes Pecina aus Groß Behnitz oder auf Pfarrer Otto Voigt aus Finkenkrug. Doch während es in Finkenkrug bereits einen Pfarrer-Voigt-Platz gibt, sucht man nach einem Andenken für Willimsky in und um Friesack vergeblich. Die Paulinenauer Straße, in der noch immer die alte Schnitterkaserne steht, heißt heute Philipp-Müller-Straße, benannt zu Zeiten des kalten Krieges nach einem FDJler aus München, der während einer Demonstration in Essen von der Polizei erschossen worden war. Wie vielfach in Ostdeutschland erfolgte diese Benennung als reines Politikum ohne jeden Bezug zur Geschichte des Dorfes. Sollte man nicht darüber nachdenken, diesen lokalgeschichtlich nicht unbedeutsamen Ort zum Andenken des auch von Paulinenauer Bürgern einst so unfreundlich abgewiesenen Pfarrers umzuwidmen?